TRACHTENPUPPEN
Andenken an die Schaumburger Tracht
Ausstellung vom 26. August 2016 bis zum 31. März 2017
Keine Puppen zum Spielen
Um 1900 wuchs das Interesse der bürgerlichen Gesellschaft an Heimatgeschichte, Volkskunst und Brauchtum. Auch die Schaumburger
Bauerntracht geriet in den Blick der Heimatfreunde. Erste Sammler und Forscher zogen über die Höfe und versuchten, an die reich verzierten
Schürzen, Tücher und Mützen zu gelangen. Die Schaumburger Tracht hatte gerade ihre große Blütezeit, während anderswo die Trachten abgelegt
wurden oder schon länger verschwunden waren.
Volkskundler beklagten den Verlust der originellen Kleidung. Um Anschauungsmaterial zu sichern, sollte jede deutsche Trachtenregion eine Puppe
mit möglichst originalgetreuer Tracht ausstatten. Das gelang nicht überall. Mancherorts fehlten nicht nur die passenden Stoffe und Bänder, auch an
die genauen Schnitte und Ausstattungen konnte man sich nicht mehr erinnern. Außerdem standen nur die handelsüblichen Puppenkörper zur
Verfügung. Die Wissenschaftler störten sich vor allen an den Kindergesichtern der kleinen Trachtenfrauen und –männer.
Zum Spielen waren diese Puppen nicht gedacht. Kinder durften die teuren Ausstellungsstücke zwar bewundern, aber nicht anfassen.
Definition
Der Begriff Trachtenpuppe in seiner volkstümlichen Bedeutung bezeichnet eine Puppe in der für einen bestimmten geografischen Raum typischen
Kleidung.Im volkskundlichen Sinne setzt die Trachtenpuppe eine genaue und vollständige Miniatur der Originaltracht voraus; vereinfachte
Trachtenmerkmale sind Kennzeichen der Souvenirpuppe.
(Definition aus dem Buch Trachtenpuppen aus aller Welt, Kerler/Rosemann, Rosenheim, 1980)
Bürgerliches Interesse an Bäuerlichem
Eine gute Möglichkeit, sich die Pracht der Schaumburg-Lippischen Bauernkleidung ins bürgerliche Wohnzimmer zu holen, war die Trachtenpuppe.
Die Miniaturform der Festtagstracht machte sich gut auf der Kommode oder im Vitrinenschrank. Die Puppen konnten von den gleichen Näherinnen
und Stickerinnen angefertigt werden, die auch die Bäuerinnen ausstatteten.
In Probsthagen bekam die in der Gegend bekannte Trachtenstickerin Marie Weidemann Besuch von der Bückeburgerin Lulu von Strauß und Torney.
Sicherlich wurde viel über die Tracht und das dazu gehörige Handwerk gesprochen. Vielleicht gab die Besucherin bei dieser Gelegenheit auch die
beiden Trachtenpuppen in Auftrag, die heute im Museum Bückeburg zu sehen sind.
Museum Bückeburg
Lange Straße 22| 31675 Bückeburg
Tel. 0 57 22 / 48 68
info@museum-bueckeburg.de
Lulu von Strauß und Torney (*1873 in Bückeburg, +1956 in Jena) war eine Balladendichterin und Schriftstellerin. Ihre Romane spielen vornehmlich
im Bauernmilieu und behandeln menschliches Schicksal. Bestimmende Themen sind Heirat, gesellschaftlicher Status und religiöse Konflikte. „Blut“
und „Erbe“ (die Abstammung und die familiäre Vorgeschichte) bestimmen den Lebensweg des Einzelnen. Nicht zuletzt deshalb wurden die Romane
im Nationalsozialismus als »gestaltetes Volksschicksal« gerühmt. Ihre damals viel gelesenen Bücher sind Ausdruck von Heimatverbundenheit und
Volksnähe. Sie gilt literaturgeschichtlich als Vertreterin des „naturalistischen Bauernromans“.
Trachtenpuppen von Lulu von Strauß und Torney
Gegenstände aus dem Bückeburger Nachlass der Dichterin gelangten 1962 ins Museum, darunter auch diese Trachtenpuppen. Die beiden Puppen
dokumentieren das volkskundliche Interesse an Tracht und Brauchtum. Nur selten wurden Trachtenpuppen so wie hier mit Trauertracht
ausgestattet. Die meisten Puppen tragen die Festtags- oder die Hochzeitstracht.
Ewiger Museumsschlaf
Die Sammlung „Schaumburger Tracht“ im Museum Bückeburg umfasst ungefähr 4000 Objekte. Gesammelt wird alles, was die Herstellung und das
Leben in dieser besonderen Bauernkleidung der dokumentiert. Dabei sind am Rande des Themas kleine Sondersammlungen entstanden, die sich
auf die Tracht beziehen: Bildpostkarten, Souvenirs, Trachtenpuppen. Aus der wissenschaftlichen Perspektive der Volkskunde haben Trachtenpuppen
keine Bedeutung. Als Erinnerungsstücke dokumentieren sie jedoch einen sentimentalen Aspekt des Trachtenwesens, der mit dem Ablegen der
Tracht und ihrem Verschwinden aus dem Dorfbild zu tun hat. Wenn die Erinnerung an die Tracht tragende Großmutter verblasst, ist in den Familien
kein Platz mehr für die ungewöhnlichen bunten Staubfänger. Der Dachboden ist kein guter Lagerort und wegwerfen will man diese
Familienerbstücke schon gar nicht. So bleibt als gute Entsorgungslösung die Abgabe an das Museum. Im Museum Bückeburg versammeln sich nun
also auch die Trachtenpuppen des Schaumburger Landes zu einem „ewigen Schlaf“, aus dem sie sie nur gelegentlich – so wie für diese Ausstellung –
geweckt werden.
IMPRESSUM
Leitung: Dr. Anke Twachtmann-Schlichter
Text und Gestaltung: Nadine Werel, Manfred Würffel
Als Trachtenexperte begleitete Henning Dormann das Projekt.
Gedankt sei auch allen Spendern. Nicht alle Trachtenpuppen konnten ausgestellt werden. Die Museumsunterlagen nennen folgende Spender-
Namen: Angermann-Buff, Baxmann, Behrens, Böhme, Damm, Ebeling, Friedland, Fröhlich, Grübbel, Habermehl, Hartmann, Hasselmeier, Hiltmann-
Losche, Klimas, Lange-Thiem, Lefenau, Lindner, Meier-Floeth, Meier-Zindler, Möhlmann, Ortanza Idu, Pütz, Raddatz, Ristenpart, Salau, Scherler,
Schrader, Schauser, Schindelhauer, Siebürger, Speisser, von Strauß und Torney, Winkelmann, Wolthusen
Für Leihgaben danken wir: Alexander Fürst zu Schaumburg Lippe und Henning Dormann
Mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse Schaumburg und der Schaumburger Landschaft.